Ein Leben zwischen Spanien und Deutschland mit Aufenthalten in England, Holland, Belgien und der Schweiz: Paul Martin Berg ist Experte für europäischen Elektronik-, Drogerie- und Lebensmitteleinzelhandel. Im Interview mit der Management Alliance erklärt er, wie er on- und offline Netzwerke knüpft und warum lebenslanges Lernen gerade für Aufsichtsräte lebenswichtig ist.
Sie haben erst kürzlich die Prüfung zum „Qualifizierten Aufsichtsrat“ bestanden. Was war ihr Antrieb für die Prüfung, was ist Ihre persönliche Aufsichtsrats-Mission?
Ich bin seit langer Zeit in unterschiedlichen Unternehmen in der Geschäftsführung tätig – und will nun den nächsten Schritt machen. Ich traue es mir zu – sowohl von der Veranlagung her mit meiner strategischen Denkweise als auch von der Rolle des Aufsichtsrats her, als Sparringspartner des Vorstandes und der Geschäftsführung zu fungieren. Ich war auch schon in Boards tätig, allerdings waren das hauptsächlich interne Veranstaltungen, meistens ohne Mitglieder von außerhalb des Unternehmens. Da habe ich den gesunden Challenge mit externer Expertise vermisst.
Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Die größte Herausforderung ist derzeit die Schnelllebigkeit der Veränderungen. Das führt dazu, dass wir uns in immer kürzeren Abständen neuen und alten Gegebenheiten stellen müssen: Wir haben immer noch eine Pandemie – und das stellt uns in puncto Risikomanagement vor neue Herausforderungen, die es so bisher nicht gab. Insbesondere mit Blick auf die Supply Chain – ich bin Vollblut-Food-Retailer, und das prägt mich natürlich. Dort geht es drunter und drüber, und das hat keiner so erwartet. Jetzt kommt natürlich der Krieg in der Ukraine hinzu. Die Auswirkungen, teurere Rohstoffe, noch mehr Druck auf die Supply Chain, Preissteigerungen in allen Bereichen. Kurz: Die letzten zwei, drei Jahre haben bewiesen, dass Risikomanagement immer wichtiger geworden ist – und dass wir in allen Bereichen Alternativen haben müssen.
Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Drei Aspekte sind meines Erachtens relevant. Erstens: Man braucht ein konstruktives Miteinander, man darf sich nicht gegenseitig Steine in den Weg legen. Zudem ist eine klare Rollentrennung zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung wichtig: Der Vorstand ist für das laufende Geschäft verantwortlich, da dürfen wir ihm nicht reinreden. Und drittens braucht es ein heterogenes Team, was mehr Perspektiven mit einbringt und die Expertisen des Vorstands ergänzt und anreichert.
Wie lautet Ihr persönlicher Tipp für erfolgreiches Netzwerken in der Aufsichtsrats-Community?
Letztendlich wird ein hoher Prozentsatz der Aufsichtsrats-Mandate immer noch über Kontakte vergeben. Trotzdem ist es wichtig, sowohl das eigene Netzwerk als auch den klassischen Headhunter zu pflegen und beide Wege zu nutzen.
Ich pflege mein Netzwerk sowohl on- als auch offline. Das LinkedIn-Profil muss entsprechend aufgesetzt sein, die eigenen Botschaften und Werte müssen klar rüberkommen. Mein Tipp: Schreiben Sie Gleichgesinnte durchaus an! Suchen Sie das Gespräch und den Kontakt, das ist immer in beidseitigem Interesse.
Besuchen Sie auch Kurse wie die der Management Alliance – oder auch thematisch relevante Weiterbildungen an Hochschulen. Ich habe das beispielsweise erst kürzlich an einer der größten spanischen Business Schools besucht. Dort im Kurs traf ich auf 30 bis 40 Gleichgesinnte.
Man muss sich auch über die eigenen Stärken und Schwächen bewusst sein, die Annahme eines Mandates soll ja ein Mehrwert für das Gremium bedeuten. Zu guter Letzt muss der Lebenslauf auch auf die Aufsichtsratstätigkeit angepasst werden und nur relevante Erfahrung aufgenommen werden.
Was wünschen Sie sich für Ihr Aufsichtsrats-Jahr 2022?
Natürlich wünsche ich mir, schon bald meine Skills, die ich bei der Management Alliance erworben habe, in der Praxis einsetzen zu können. Am liebsten würde ich in einem In- oder Auslandsprojekt eines Handelskonzerns oder eines Unternehmens des FMCG-Bereiches (Fast Moving Consumer Goods) international begleiten – dort kann ich meine Erfahrungen am besten einbringen.
Ich habe immer versucht, sehr international aufgestellt zu sein. Parallel baue ich meine Expertise kontinuierlich aus, insbesondere in den Bereichen Strategie, Risikomanagement, Leadership, Digitalisierung, Sustainability und Vergütung. Ich habe mein Leben lang dazugelernt, und um die Aufsichtsrats-Arbeit voll auszufüllen, benötigen wir meines Erachtens genau diese Denkweise für unsere Zunft. Der Weg der Professionalisierung lohnt sich und wird in Zukunft an Wichtigkeit gewinnen. Man muss mit Spaß dabei sein und dranbleiben! Resilienz ist auch gefragt – vor allem bei der Suche. Seien Sie sicher: Es gibt genau die Boards, die Ihrem Anforderungsprofil entsprechen!