Am 2. Februar 2023 standen Dr. Kathrin Niewiarra und Philipp Blattert, Partner der neu gegründeten Beratungsgesellschaft ESG Powerhouse, Rede und Antwort zu den Herausforderungen der regulatorischen Vorgaben bei den geforderten Lieferkettensorgfaltspflichten.
Deutsche versus europäische Gesetzgebung
In Deutschland ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bereits in Kraft. Unter den Anwenderkreis fallen in der ersten Stufe Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, ab 2024 reduziert sich der Schwellenwert auf 1.000 Mitarbeiter. Ein Aufatmen für KMU ist hier allerdings nicht angebracht. Die europäische Gesetzgebung wird zeitnah nachziehen und den Anwenderkreis auf Unternehmen mit 250 Mitarbeitern ausweiten.
Die Sorgfaltspflichten
Der Katalog der Sorgfaltspflichten wird sich auch unter der europäischen Perspektive nicht wesentlich ändern. Zu den Sorgfaltspflichten zählen:
- Einbindung der Aspekte Umweltverletzungen und Verletzungen der Menschenrechte in das Risikomanagement
- Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten
- Laufende Risikoanalyse entlang der Wertschöpfungskette
- Ausbau bestehender Grundsatzerklärungen zu den Aspekten Menschenrechte und Umweltverletzungen
- Definition von Präventionsmaßnahmen
- Definition von Abhilfemaßnahmen
- Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
- Maßnahmen
- Dokumentation
Der Expertenrat zu diesem umfassenden Pflichtenkatalog: Bauen Sie keine neuen Systeme auf, sondern schaffen Sie dort Synergien, wo es sinnvoll ist. Prüfen Sie die Möglichkeiten, an welche bestehenden Systeme und Strukturen Sie andocken können.
Die Frage nach der Wertschöpfungskette
Ganz wesentlich ist die Frage, in welchem Umfang Unternehmen künftig die Wertschöpfungskette überprüfen müssen. Hier ist die Messlatte die europäische Gesetzgebung, an die sich die KMUs bereits heute ausrichten sollten.
Der europäische Ansatz sieht die Überwachung der gesamten Wertschöpfungskette in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße vor. Dr. Kathrin J. Niewiarra stellt klar heraus, dass es sich hier lediglich um eine Bemühenspflicht handelt. Das heißt, der strukturelle Aufbau eines Überwachungssystems liegt im Fokus des Gesetzgebers, nicht die lückenlose Überwachung.
Unternehmen kommen daher nicht umhin, rechtzeitig Strukturen für ein mehrstufiges Überwachungssystem aufzubauen. Dazu können neben KI-basierten Lieferantenscreenings, Verpflichtungserklärungen und klassische Audits zählen.
Mitglied der Wertschöpfungskette
Eine Konsequenz der Einrichtung mehrstufiger Überwachungssysteme wird sein, dass man selbst als Mitglied einer Wertschöpfungskette regelmäßigen Audits zu den Themen Risikomanagement, Menschenrechte und Umweltstandards unterzogen wird. Die Aktualität von Dokumentationen und Prozessen wird damit auch in der Kundenpflege ein immer wichtigerer Standard werden.
Lieferkettensorgfaltspflichten – mehr als nur Bürokratie
Bisher steht vorrangig der regulatorische und prozessuale Blick der Lieferkettensorgfaltspflichten im Fokus der Unternehmen. Philipp Blattert weist ausdrücklich auf die Chancen dieser Gesetzgebung hin. Die geforderten Lieferantenscreenings auch dazu zu nutzen, die Kostenstrukturen zu analysieren und die Sicherheit bei der Materialbeschaffung durch gezielte Strukturveränderungen in der Lieferkette zu verbessern.
So kann eine gezielte Zusammenfassung von einzelnen Wertschöpfungsstufen Vorteile für die Absicherung von Lieferumfängen wie auch deren Kosten bringen. Wenn z.B. ein Lieferant nicht mehr nur das Einzelteil selbst liefert, sondern seine Fähigkeiten in der Wertschöpfung um das jeweilige Einzelteil herum einbringen kann, kann dies zu folgenden Verbesserungen innerhalb der Lieferkette führen:
a. Weniger Schnittstellen, an denen Verantwortung übertragen wird. Dies führt zu geringerem Organisationsaufwand an den Schnittstellen und zu weniger Fehlermöglichkeiten.
b. Eine Reduzierung des Aufwands für Verpackung, Versand und Transport.
c. Eine Verbesserung der Motivation der Lieferanten, da ihr Liefervolumen steigt und zusätzlich in dem erweiterten Verantwortungsumfang auch die gestalterischen Fähigkeiten des Lieferanten genutzt werden.
Der Umbau der Lieferkette wird nicht zwingend mit allen bestehenden Lieferanten möglich sein. Ein gezielter Wechsel von einzelnen Lieferanten kann in solchen Fällen notwendig werden. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, z.B. auch in Technologien zur Aufwertung der eigenen Produkte und Leistungen zu investieren.
Wertgestaltung und Value Management am eigenen Produkt setzt sich somit konsequent im Value Management der Lieferkette und der Lieferantenstrukturen fort.
Wollen Sie mehr zu diesen Themen erfahren, sprechen Sie gerne unsere Experten direkt an:
Dr. Kathrin J. Niewiarra:
niewiarra@esg-powerhouse.com
Philipp Blattert:
blattert@esg-powerhouse.com