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Haftungsrisiken für Aufsichtsräte: Das Damokles Schwert ARAG/Garmenbeck

Sechs frühere Aufsichtsräte des insolventen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor sind zu 53,3 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt worden. Sie sollen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand nicht rechtzeitig geltend gemacht haben. Wie es dazu kam – erfahren Sie hier.

Der Insolvenzverwalter verklagte im Jahre 2010 fünf Ex-Vorstände und sechs Ex-Aufsichtsräte auf Zahlung von 175 Millionen Euro Schadensersatz. Der entstandene Vermögensschaden wurde damit begründet, dass Sale and Lease Back Transaktion von insgesamt 5 Warenhäusern zu nachteiligen Konditionen für die Gesellschaft abgewickelt wurden.

In erster Instanz (2012) wurde die Klage gegen den Aufsichtsrat abgewiesen. Ein Fehlverhalten des Vorstandes sah das Gericht lediglich bei 1 von 5 Warenhäusern als gerechtfertigt an. Gegen dieses Urteil wurde Berufung eingelegt. Nach weiteren 10 Jahren gibt es nun eine neue Bewertung der Sachlage durch das OLG Hamm, was für die Aufsichtsratsarbeit wegweisend sein wird.

Die Begründung des OLG Hamm

Ein Gutachten errechnete einen wirtschaftlichen Nachteil aus den abgewickelten Transaktionen in Höhe von 53,6 Millionen Euro.

Dieser Schaden ist nach Auffassung des OLG Hamm jedoch nicht auf eine Pflichtverletzung des Vorstandes zurückzuführen. Vielmehr sieht der Senat für den entstandenen Schaden eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrates als ursächlich an. Das Gericht bezieht sich in seiner Urteilsbegründung auf § 111 AktG, die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat und in seiner Rechtsfolge auf die „ARAG/Garmenbeck“-Doktrin (BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95).

Eine Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen ist noch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof möglich.

Welche Kriterien sind bei der Überwachung der Geschäftsleitung anzuwenden?

Die Business Judgement Rule gibt Ihnen die notwendigen Antworten auf diese Frage. Orientieren Sie sich dabei an folgenden Leitfragen:

  • Handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung?
  • Liegt eine aussagefähige (informierte) Entscheidungsgrundlage dem Aufsichtsrat vor?
  • Wird diese Entscheidung zum Wohle des Unternehmens und ohne Interessenkonflikte getroffen?
  • Hat im Aufsichtsrat eine ausgewogene Risikoabwägung stattgefunden?
  • Werden die geltenden Gesetze und Gebote eingehalten?
Risikoabwägung wird immer mehr zum Schlüsselfaktor

Bei der Entscheidungsfindung nimmt die Risikoabwägung der unterschiedlichen Alternativen eine immer wichtigere Rolle ein. Die fachliche und sachliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Handlungsalternativen unter Risikogesichtspunkten bedarf – unabhängig von der Bewertung des Vorstandes – einer eigenständigen Bewertung durch den Aufsichtsrat.

Hier sind in der Diskussion vor allem die fachlichen Experten im Gremium gefragt. Die Frage nach der Kompetenz ist eben nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern schafft echte Mehrwerte für das Gremium und die Gesellschaft.

Das OLG Hamm führt aus, dass die Risikoabwägung des Aufsichtsrates bezogen auf die gesamte Gemengelage in der Causa Arcandor nicht ausreichend war. Dazu zählt auch, dass Schadenersatzansprüche zum Wohle der Gesellschaft gegen das Vorstandsgremium geltend zu machen sind.

Das Damokles Schwert ARAG/Garmenbeck

Die persönliche Haftung des Aufsichtsrates ergibt sich im vorliegenden Fall aus der „ARAG/Garmenbeck“-Doktrin (BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95). Hieraus leitet sich die Pflicht des Aufsichtsrates ab, Schadensersatzansprüche zu Gunsten der Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Von diesem Grundsatz kann nur dann abgewichen werden, wenn wichtige Gründe des Unternehmenswohles dagegensprechen.

Im vorliegenden Fall sah das OLG Hamm den Fall bestätigt, dass der Aufsichtsrat nicht rechtzeitig, also nicht innerhalb der Verjährungsfristen, die erforderlichen Schritte zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen eingeleitet habe.

Das Urteil des OLG Hamm betrifft in seiner vollen Härte 2 Aufsichtsräte. 4 weitere Mandatsträger haften für einen Schaden in Höhe von 100.000 Euro. Das Gericht trägt hier den unterschiedlichen Rollen und Kompetenzen im Gremium Rechnung.

Lange Prozessverfahren aus Sicht des Aufsichtsrates nachteilig

Doch Schaden ist nicht gleich Schaden. Im vorliegenden Fall erhöht sich die Haftungssumme deutlich durch die Verzinsung des Schadenersatzanspruches seit Prozessbeginn.

Der Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch bewertet die Sachlage wie folgt: „Die lange Prozessdauer ist wegen der gesetzlich ab Klageerhebung zu zahlenden Prozesszinsen im Ergebnis für die Gläubiger sehr vorteilhaft gewesen. Zu der vom Gericht zugesprochenen Summe von 53,6 Millionen Euro kommen dadurch noch knapp 28 Millionen Euro Zinsen hinzu, so dass der gesamte erstrittene Betrag bei knapp 81,5 Millionen Euro liegt.“

Für den Aufsichtsrat ist eine lange Prozessdauer dagegen nicht vorteilhaft. Umso wichtiger ist es, dass Sie aussagefähige Dokumente zur Klärung von Haftungsfragen zur Verfügung haben.

Was können Sie für Ihre Aufsichtsrats-Arbeit daraus mitnehmen?

Der Fall zeigt, wie komplex die Kontrolle und Überwachung des Vorstands ist und wie wichtig die Frage der Dokumentation aus Sicht des Aufsichtsrats ist.

Das Protokoll zur Aufsichtsratssitzung ist der wichtigste Baustein bei Fragen der persönlichen Haftung. Achten Sie darauf, dass sich die Aspekte der Business Judgement Rule im Protokoll entsprechend wiederfinden.

Auch die Ausgestaltung der D&O-Versicherung spielt für Sie eine entscheidende Rolle. Verlassen Sie sich hier nicht ausschließlich auf die Unternehmens D&O sondern schließen Sie auch eine private Versicherung ab, um in kritischen Fällen im Driver Seat zu bleiben.

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