Am 16. Mai 2023 wurde die Verordnung (EU) 2023/1115 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen (EU Deforestation Regulation; EUDR), verabschiedet. Mit dem weltweit einmaligen Ansatz verbindlicher unternehmerischer Sorgfaltspflichten soll mit der EU-Entwaldungsverordnung das Ziel entwaldungsfreier Lieferketten sichergestellt werden. Mit der erfolgten Annahme im Europäischen Rat ist die Verordnung am 30. Juni 2023 in Kraft getreten. Sie ist nach einer Übergangszeit von 18 Monaten ab dem 30. Dezember 2024 anzuwenden. Für kleine Unternehmen gilt eine Übergangszeit von 24 Monaten. Außerdem besteht für Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern die Möglichkeit, auf die Sorgfaltserklärung größerer Marktteilnehmer zu verweisen, wenn diese Teil der Lieferkette sind und für das bezogene Produkt bereits eine Sorgfaltserklärung abgegeben haben.
Worum geht es?
Mit der Verordnung werden verbindliche Sorgfaltspflichten für alle Wirtschaftsbeteiligten (Produzenten, Hersteller und Verarbeiter) sowie für Händler festgelegt, die bestimmte Waren und daraus hergestellte Produkte auf den EU-Markt bringen, bereitstellen oder ausführen („Marktteilnehmer“). Hierzu gehören Soja, Ölpalme, Rinder, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie daraus hergestellte Erzeugnisse, die im Anhang I der Verordnung genannt sind. Die Auflistung in Anhang I orientiert sich an dem System der Kombinierten Nomenklatur, die bereits aus dem Zollrecht bekannt ist. Durch die Berücksichtigung von Produkten aus Zellstoff und Papier betrifft die EU-Entwaldungsverordnung alle Produzenten und viele Verarbeiter von Produkten aus Holz-Frischfaser und hat damit starken Einfluss auf die Verpackungsindustrie.
Was bedeutet dies für Unternehmen?
Nach der EU-Entwaldungsverordnung dürfen die Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie:
- Entwaldungs- und waldschädigungsfrei sind: Hierfür dürfen sie nicht auf Flächen produziert worden sein, auf denen seit dem 31.12.2020 („Stichtag“) Entwaldung oder Waldschädigung stattgefunden haben.
- Im Einklang mit den Gesetzen des Ursprungslandes hergestellt worden sind.
- Keine der in der Verordnung näher spezifizierten, grundlegenden Menschenrechte und Rechte indigener Völker verletzen.
- Mit einer Sorgfaltserklärung bestätigt werden: Diese Erklärung muss in einem europäischen Informationssystem veröffentlicht werden.
Wird eine der oben genannten Anforderungen nicht erfüllt, dürfen die entsprechenden Produkte nicht auf den EU-Markt gebracht werden.
Schritte zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht
Zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht müssen die Marktteilnehmer drei Schritte durchlaufen:
- Zugang zu Informationen sicherstellen: Dazu gehören Informationen über die Ware, die Menge, die Lieferanten sowie das Produktionsland des Produktes. Dies umfasst auch eine Geolokalisierung, aus der die geografischen Koordinaten der Flächen hervorgehen, auf denen die Rohstoffe produziert wurden.
- Risikoanalyse und Risikobewertung durchführen: Informationen über die genutzten Flächen für die Rohstoffproduktion müssen genutzt werden, um eine Risikoanalyse und -bewertung durchzuführen.
- Angemessene und verhältnismäßige Abhilfemaßnahmen ergreifen.
Sanktionen bei Verstößen
Die Durchsetzungsbehörden überwachen die Marktteilnehmer im Rahmen eines Benchmarking-Systems und verhängen Sanktionen, wenn die Anforderungen der Verordnung nicht erfüllt werden. Die Verordnung sieht einen Katalog von Sanktionen vor. Geldbußen sollen in einem angemessenen Verhältnis zu den Umweltschäden und dem Wert der Produkte stehen, mindestens aber 4 % des EU-weiten Jahresumsatzes des Betreibers betragen. Verstöße gegen die Verordnung können zudem zu einem (vorübergehenden) Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen und vom Zugang zu öffentlichen Mitteln und Rückrufaktionen führen.
Was bedeutet dies für Unternehmen und ihre Organe?
- Nicht bis zum Anwendungsdatum der EU-Entwaldungsverordnung warten und die sehr kurze verbleibende Zeit besser für die Einführung von Verfahren und Prozessen nutzen.
- Anpassung der Compliance-Strukturen, um den Anforderungen gerecht zu werden.
- Überprüfung und Anpassung des Risikomanagements.
- Überprüfung der Produkte (Neu- und Bestandsprodukte) auf Konformität, Durchleuchtung der Lieferkette und ggfs. Erarbeitung von Alternativlösungen.
- Verknüpfung mit Pflichten nach LkSG.
- Überwachung und Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat auch in Bezug auf Compliance und Wirksamkeit der Compliance-Strukturen.
- Informationspflicht des Vorstands – aber auch Pflicht des Aufsichtsrats, Informationen aktiv einzufordern, wenn der Vorstand seinen Informationspflichten nicht nachkommt, und Überwachung, dass Verstößen vom Vorstand nachgegangen wird (Haftung).
- Zuständigkeit des Aufsichtsrats bei Verdacht von Fehlverhalten des Vorstands.
Fazit
Die fachliche Auseinandersetzung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats mit Compliance-Themen und gesetzlichen Anforderungen ist notwendig und trägt zum nachhaltigen Erfolg des Unternehmens und seiner Strategie bei – dazu gehört auch ein auf das Unternehmen zugeschnittenes und rechtskonformes Risikomanagement.
Kontakt:
Dr. Kathrin J. Niewiarra
Rechtsanwältin, Attorney-at-Law (NY)
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