Zu den Aufgaben des Aufsichtsrates zählt auch die Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung. Wir wollen Ihnen einen praxisnahen Überblick zu den Fallstricken der letzten Berichtssaison geben, die in unterschiedlichem Umfang den Jahresabschlusserstellungsprozess beeinflusst haben.
Vergütungsbericht – breite Interpretationsspielräume auch bei den Abschlussprüfern
Mit dem Geschäftsbericht 2021 galt es erstmals, das neu gefasste Vergütungssystem in einen klaren und verständlichen Vergütungsbericht zu überführen. Der Vergütungsbericht soll den Aktionären einen klaren und verständlichen Überblick zu den gewährten und geschuldeten Vergütungsbestandteilen der Organe geben.
Bei der Definition der Begrifflichkeiten „Gewährt“ und „Geschuldet“ fing in der Praxis die Unklarheit an. Der IDW stellte die Anwendung von zwei unterschiedlichen Definitionen frei. Hier war eine enge Absprache mit den Abschlussprüfern erforderlich.
Vergütungsbericht – Auswirkungen auf den Jahresabschlussprozess
Der Vergütungsbericht war in der Berichtssaison 2021 weder für die Gesellschaft noch für die Abschlussprüfer Routine. In der Konsequenz konnte dies zu Verzögerungen im Erstellungsprozess der Berichtspakete führen. Umso wichtiger war es, dass der Prüfungsausschuss in einem laufenden und proaktiven Dialog mit dem Abschlussprüfer steht, um zeitliche Verschiebungen pragmatisch auffangen zu können.
EU-Taxonomie – Accounting Standards fehlten
Im Rahmen der Nichtfinanziellen Erklärung galt es, erstmals für das Geschäftsjahr 2021, Aussagen im Sinne der EU-Taxonomie zu treffen. Allerdings mussten nur für 2 von insgesamt 6 Taxonomie-Zielen entsprechende Kennzahlen zu Umsatz, Opex und Capex berichtet werden.
Was sich einfach anhört, brachte in der Praxis einige Verwirrung. Ein klarer Kriterienkatalog, wie KPI-Anteile zu definieren sind, fehlte. Es bleibt abzuwarten, inwiefern hier die kommenden Sustainability Accounting Standards Klarheit schaffen werden. Dazu werden wir bei Veröffentlichung gesondert berichten.
Der Aufsichtsrat war folglich hier in einer besonderen Pflicht, vor allem dann, wenn bei einem Verweis auf einen separaten Nachhaltigkeitsbericht eine Einbindung des Abschlussprüfers fehlte.
Ukraine-Krieg hatte Konsequenzen auf die Rechnungslegung
Auch wenn formal der Ukraine-Krieg erst nach Abschluss des Bilanzstichtages zum Tragen kam, galt es, die Auswirkungen des Krieges auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entsprechend zu würdigen.
Der IDW reagierte auf die aktuelle Situation mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Rechnungslegung, die sich direkt auf den Jahresabschlussprozess ausgewirkt haben. Dabei waren der Nachtragsbericht, die Risikoberichterstattung sowie der Prognosebericht besonders im Fokus der Abschlussprüfer.
Der IDW gab folgende Regeln zur Orientierung aus, die auch künftig bei ähnlichen Ereignissen zur Anwendung kommen werden:
1. Regel: Zur Erfüllung der Anforderung der Konzern-Anhangangabepflicht ist hinsichtlich der Darstellung der Art des Vorgangs ein allgemeiner Hinweis auf den Ausbruch des „Ukraine-Krieges“ ausreichend.
2. Regel: Bei der Darstellung der finanziellen Auswirkungen sind die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu berücksichtigen, soweit diese jeweils betroffen sind. Eine qualitative Berichterstattung ist ausreichend, hier müssen keine konkreten Angaben gemacht werden.
3. Regel: Die verbalen Ausführungen müssen aber hinreichend die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt bzw. die drei Teillagen verdeutlichen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Prüfhandlungen wurden insofern intensiviert, dass die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unter dem Blickwinkel der „going concern“-Perspektive gesondert geprüft wurden und ein besonderer Augenmerk auf der qualitativen und ganzheitlichen Würdigung der Kriegsauswirkungen im Rahmen der Berichterstattung lag.