Nach der großen Kodexreform im Jahr 2019 konzentrieren sich die aktuellen Anpassungen des Deutschen Corporate Governance Kodex zum einen auf Best Practice Empfehlungen zur Interpretation des FISG. Zum anderen liegt ein klarer Fokus auf der ganzheitlichen Integration von Nachhaltigkeitsaspekten. Die Novellierung des DCGK 2022 steht damit in einem Zusammenhang zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sowie zu den beiden geplanten Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und zu den nachhaltigkeitsbezogenen Sorgfaltspflichten (CSDD).
Financial Experts: klare Kompetenzzuordnung
Mit dem FISG kam für die börsennotierte Gesellschaft im regulierten Markt die Verpflichtung für zwei Financial Experts. Ein Mitglied des Aufsichtsrates muss über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung verfügen, ein weiteres Mitglied Kenntnisse zur Abschlussprüfung vorweisen.
Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) konkretisiert nun, dass auch die vertiefte Kenntnis zu IKS- und Risikomanagementsystemen zum Aufgabenprofil des Financial Experts „Rechnungslegung“ zählt. Dies folgt der Logik, dass der Aufsichtsrat die Wirksamkeit dieser Systeme überwachen muss.
Unverändert gilt, dass der Prüfungsausschussvorsitzende nicht zwingend Financial Expert sein muss, allerdings sollte auch der Prüfungsausschussvorsitzende Kenntnisse entweder im Bereich der Rechnungslegung oder der Abschlussprüfung vorweisen.
Die Zuordnung der Kompetenzen ist wie gewohnt in der Erklärung zur Unternehmensführung auszuführen.
Transparenz zu den Kompetenzen im Gremium
Der DCGK schafft erstmals auch mehr Transparenz zu den Kompetenzen im Aufsichtsrat selbst. Die Definition eines auf das Unternehmen ausgerichteten Kompetenzprofils ist bereits seit Jahren Standard guter Corporate Governance. Nun soll dieses Kompetenzprofil im Zuge einer Qualifikationsmatrix transparent gemacht und in der Erklärung zur Unternehmensführung veröffentlicht werden.
Klar ist, dass hier die Kompetenzfelder der Financial Experts aufzunehmen sind. Neu ist dagegen die konkrete Empfehlung des DCGK, dass die Qualifikationsmatrix auch die Expertise „Nachhaltigkeit“ enthalten soll. In jedem Fall sollten sich die Kompetenzfelder an der Unternehmensstrategie ausrichten.
Ganzheitliche Nachhaltigkeit im Fokus
Im neuen DCGK geht es auch um die Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Unternehmensleitung und -überwachung. Der Kodex verankert diese Aspekte explizit im Aufgabenprofil von Vorstand und Aufsichtsrat und lehnt sich dabei an bestehende und künftige Gesetzesvorgaben an.
Änderungen, die sich in Bezug auf die CSRD (Nachhaltigkeitsberichterstattung) ergeben:
Das Prinzip der Berichterstattung richtet sich an dem Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit aus. Dies bedeutet, dass Unternehmen nicht nur darüber berichten, wie sich die Nachhaltigkeitsaspekte auf das Geschäftsergebnis auswirken („Outside-in-Perspektive“), sondern auch darüber, welche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu erwarten sind („Inside-out-Perspektive“).
Diesem Grundsatz folgend verankert der DCGK diesen strategischen Ansatz konkret in den Geschäftsführungsaufgaben des Vorstandes. In der Unternehmensstrategie soll laut DCGK festgelegt werden, wie wirtschaftliche, ökologische und soziale Zielsetzungen in einem ausgewogenen Verhältnis umgesetzt werden können.
Zudem greift der Kodex bereits den Punkt der erweiterten Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsaspekten im Lagebericht auf. Hier nimmt der DCGK Themenstellungen der künftigen Gesetzgebung voraus. Die CSRD geht dagegen in seiner Entwurfsfassung von Übergangsfristen hinsichtlich der vollständigen Integration der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht aus. Sobald die CSRD veröffentlicht wird, werden wir hierüber berichten.
Änderungen, die sich in Bezug auf die CSDD (europäisches Lieferkettengesetz) ergeben:
Bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz geht davon aus, dass ein Risikomanagement zur Überwachung von Menschenrechtsverletzungen bei den für die Gesetzgebung relevanten Unternehmen zu verankern ist. Der europäische Ansatz wird voraussichtlich über den deutschen Ansatz hinaus gehen. Wir erwarten, dass das CSDD auch Umweltrisiken zu den relevanten Sorgfaltspflichten zählen wird.
Insofern gewinnt das Risikomanagement im ganzheitlichen Sinne immer mehr an Bedeutung. Dies greift der Kodex bereits in seiner aktuellen Fassung auf. Der DCGK empfiehlt, IKS und RMS sowohl auf finanzielle als auch auf nachhaltigkeitsbezogene Belange, einschließlich der Etablierung entsprechender Prozesse und Systeme zur Erfassung und Verarbeitung nachhaltigkeitsbezogener Daten einzurichten.
Die Rolle des Aufsichtsrats bezogen auf Nachhaltigkeitsaspekte
Der Aufsichtsrat ist in Punkto Nachhaltigkeit vielfältig gefragt.
Die ganzheitliche Verbindung mit der Unternehmensstrategie fordert den Aufsichtsrat in seiner Beratungskompetenz. Beratung fordert neben einem ausgewogenen Kompetenzprofil vor allem auch Diversität im Gremium.
Die Überwachung der IKS- und Risikomanagementsysteme liegt ebenfalls in der Verantwortung des Aufsichtsrates. Hier ist darauf zu achten, dass die bestehenden Systeme, die neuen gesetzlichen Themenstellungen zu Umwelt- und Menschenrechtsbelangen mit abdecken können.
Im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist der Aufsichtsrat in der Pflicht, die Recht-, Zweck- und Ordnungsmäßigkeit zu prüfen.