Julia Hartmann ist Professorin für Management und Nachhaltigkeit an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht (EBS) in Deutschland. Sie hat zu Themen rund um Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung habilitiert und promoviert, einen Master of Science in strategischem Management von der Université Lumière Lyon II (Frankreich) und einen Master of Arts in interdisziplinären Studien, Human- und Sozialwissenschaften von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Deutschland). Ihre Forschungsarbeiten befassen sich mit dem strategischen Management von Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen.
Hartmann sieht als große Herausforderungen für Unternehmen heute, dass sie ihre Emissionen reduzieren und sich gleichzeitig an den Klimawandel anpassen müssen. An genau dieser Stelle kann die Expertin unterstützen. „Ich habe das große Privileg, mich seit knapp 15 Jahren durchweg und intensiv mit Nachhaltigkeit beschäftigen zu dürfen. Dadurch habe ich einen deutlichen Wissensvorsprung gegenüber vielen anderen“, sagt Hartmann.
Was war Ihr Antrieb, sich als qualifizierte Aufsichtsrätin zertifizieren zu lassen?
Zum einen interessiert mich das Management von Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen natürlich auch aufgrund meiner entsprechenden Tätigkeit als Professorin an der EBS. Aber ich suche immer nach neuen, praxisnahen Herausforderungen und habe mich nach Gesprächen bzw. eigener Recherche schließlich für die Zertifizierung zur Aufsichtsrätin entschieden.
Wie spannend diese Aufgabe dann tatsächlich sein kann, dies ist mir während meiner Arbeit mit Gabriele Bornemann von Management Alliance und den anderen Teilnehmerinnen des Kurses „Qualifizierte/r Aufsichtsrätin“ bewusst geworden.
Heute wird Nachhaltigkeitskompetenz für Gremien wie Beiräte oder Aufsichtsräte händeringend gesucht. Mein Bedürfnis nach einer neuen Herausforderung kam also genau zum richtigen Zeitpunkt.
Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Nachhaltigkeit ist eine der größten Herausforderungen für Unternehmen und dies sicher für die nächsten 20 Jahre. Der Druck auf die Unternehmen wächst, weil der Gesetzgeber zunehmend regulierend eingreift, etwa durch die Bepreisung von Kohlendioxid oder die EU-Taxonomie. Hinzu kommt, dass Unternehmen branchenübergreifend den Klimawandel spüren, etwa im letzten Sommer. Die Wasserknappheit führt zu Ernteausfällen ebenso wie zu Stromknappheit. Sprich: Unternehmen müssen ihren Beitrag dazu leisten, den Klimawandel abzumildern und sich gleichzeitig auf dessen Konsequenzen vorbereiten. Für diese komplexen Herausforderungen benötigt der Vorstand externe Unterstützung, auch durch seine Aufsichtsräte.
Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Aufsichtsräte müssen immer (wieder) Fragen stellen und brauchen dafür keine richtigen Antworten, zumal es ein absolutes Richtig oder Falsch ohnehin nicht gibt. Aber mit vielen Fragen kann der Aufsichtsrat herausbekommen, ob der Vorstand an alle Faktoren gedacht hat, die möglicherweise ein Geschäftsmodell beeinträchtigen könnten. Als Aufsichtsrätin würde ich eine 5-Jahresstrategie immer mit Was-wäre-wenn-Szenarien hinterfragen. So manche wirtschaftliche wie politische Krise hätte vermieden werden können, wenn Entscheidungsgremien mehr in Worst-Case-Szenarien denken und planen würden.
Wie lautet Ihr persönlicher Tipp für erfolgreiches Netzwerken in der Aufsichtsrats-Community?
Es ist essentiell, seine Onlineprofile und hier an erster Stelle LinkedIn aktuell zu halten und sowohl virtuelle als auch persönliche Netzwerke aufzubauen und aktiv zu pflegen. Interessenten muss bewusst sein, dass die Suche nach Kandidaten heute, zumindest zu Beginn, automatisiert funktioniert. Um „einen Fuß in die Tür zu bekommen“, ist es wichtig, entsprechend die richtigen Schlagwörter zu platzieren.
Was wünschen Sie sich für Ihr Aufsichtsrats-Jahr 2023?
Ich wünsche mir Zuversicht und Offenheit! Mit Offenheit können wir mit Menschen, Organisationen, Ländern in einen sachlichen Dialog treten, der uns sonst wegen unterschiedlicher (Wert-)Vorstellungen versperrt bleiben würde. Keep the doors open for dialogue!