Die Diplom-Kauffrau und Betriebswirtin (BA) Maike Kielhorn hat Konzernerfahrung im großen Mittelstand, im DAX-Konzern und im Private Equity Umfeld, wo sie für Aufgaben wie die Reorganisation bzw. Umstrukturierung und den Aufbau von Teams, u.a. in Shared Services, verantwortlich war. Bevor die 47-Jährige im Januar 2022 ein Sabbatical-Jahr begann, war sie Vice President Corporate Accounting bei der Aenova Holding GmbH, der Holding eines Pharma-Lohnherstellers, und davor Head of General Ledger/Asset Accounting bei der Thyssenkrupp Business Services GmbH in Essen, einer Shared Service Gesellschaft für Finance-, HR-, IT- und Real Estate-Dienstleistungen. Bei all der Vielfalt ihrer beruflichen Stationen wurde sie von einer Konstante immer begleitet: von Zahlen.
Mit ihrer pragmatischen bzw., wie sie es selbst nennt, „norddeutschen Art“ klopft sie bei Gesprächen immer erst die Fakten ab. Einen kühlen Kopf bewahren zu können und Wert auf Gründlichkeit beim Faktencheck zu legen, das kann für die Arbeit in einem Kontrollgremium wie einem Aufsichtsrat sehr wertvoll sein. Seit August 2022 ist Kielhorn durch ihre Zertifizierung zur „Qualifizierten Aufsichtsrätin“ für eine solche Aufgabe bestens vorbereitet.
Was war Ihr Antrieb, sich als qualifizierte Aufsichtsrätin zertifizieren zu lassen?
Durch die Rechnungswesen-Themen hatte ich regelmäßig Kontakt mit unterschiedlichen Aufsichtsräten. Nun wollte ich die Dinge einmal von der anderen Seite aus sehen und insbesondere das Basiswissen etwa zu rechtlichen Details und Dos and Don’ts eines Aufsichtsrates aufbauen. Das Zertifizierungsangebot von Management Alliance hat mich überzeugt. Auch wenn ich viele Themen bereits aus meiner beruflichen Laufbahn und dem Studium kannte, war es gut, mein Wissen aufzufrischen und alles komprimiert und speziell auf die Aufsichtsratsarbeit zugeschnitten vermittelt zu bekommen.
Heute schaue ich mit anderen Augen auf die Arbeit von Aufsichtsräten, habe eine deutlich höhere Sensibilität und auch Wertschätzung dafür. Wenn ich mich mit einem Unternehmen beschäftige, lese ich jetzt im Geschäftsbericht auch den Bericht des Aufsichtsrates, aus dem man viel über die Governance des Unternehmens ersehen kann.
Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Der Aufsichtsrat muss einen Spagat bewältigen. Während er entsprechend seiner Kernaufgaben aus der Vogelperspektive heraus agiert, muss er zunehmende regulatorische Anforderungen erfüllen, die ihn zwingen, sehr ins Detail zu gehen und ausführlich zu dokumentieren. Gleichzeitig muss der Aufsichtsrat eine Vielzahl an aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität im Blick haben, die sich oft noch in einem Entwicklungsprozess befinden. Hierbei ist ein gutes Netzwerk wichtig. Wenn mehrere Konzerne die Regularien ähnlich interpretieren, dort wo es Ermessensspielräume gibt, kann sich daraus eine Art Standard herauskristallisieren. Dabei darf ich nicht auf das warten, was der Vorstand an mich heranträgt. Vielmehr muss ich aktiv Fragen stellen und inspirieren.
Es sind aber auch die Unternehmen, die vor großen Herausforderungen stehen, etwa der, gute Aufsichtsräte für sich zu finden, die bereit sind, die entsprechende Zeit zu investieren und die gestiegenen Haftungsrisiken zu tragen. Ich glaube, die Zeiten, in denen man aus Prestigegründen ein Aufsichtsmandat bekleidet, sind langsam vorbei.
Für mich persönlich liegt der Wert von einem Engagement als Aufsichtsrätin in der Möglichkeit mitzugestalten, Veränderungen anzuregen und als Sparringspartner auf Augenhöhe zu agieren. Zudem kann ich so automatisch benchmarken, also meinen Arbeitgeber und den Aufsichtsratsmandat-Geber miteinander vergleichen. Eine klare Win-Win-Situation, nicht wahr!
Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Ich denke, es ist wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass ein Aufsichtsrat auch ein Prüforgan ist. Aufsichtsräte helfen dem Unternehmen, wenn sie kritisch und zugleich wohlwollend agieren. Dazu gehört, sich jederzeit eine eigene Meinung zu bilden und auch nicht vor „dummen“ Fragen zurückzuschrecken.
Außerdem sollte der Aufsichtsrat immer die Weiterentwicklung des Unternehmens im Fokus haben und hieran auch den Vorstand challengen.
Welche Tipps möchten Sie Aufsichtsrät*innen für erfolgreiches Netzwerken in der Aufsichtsrats-Community geben?
Während meiner Zertifizierungsvorbereitung zur qualifizierten Aufsichtsrätin ist mir wieder aufgefallen, wie wichtig Netzwerke sind. Beim Networking gehe ich weniger geplant vor, lasse mich vielmehr vom Spaß am Austausch und Lernen leiten. Das persönliche Gespräch ist dabei für mich die beste Form. Ich möchte meinem Gegenüber in die Augen schauen können. Und wenn mir etwas positiv auffällt, finde ich es im persönlichen Gespräch auch einfacher, dies auszusprechen. Häufig kritisieren wir mehr als Positives zu erwähnen. Dabei macht es doch wesentlich mehr Freude zu loben und gelobt zu werden!
Netzwerke funktionieren meiner Meinung nach nur, wenn eines sichergestellt ist: die Bereitschaft zum Geben und Nehmen. Für mich war es immer motivierend, mein Wissen mit anderen zu teilen. Meistens bekommt man dafür viel zurück.
Was wünschen Sie sich für Ihr Aufsichtsrats-Jahr 2023?
Ich wünsche allen Aufsichtsräten, dass sie gute Vorarbeit geleistet haben für die Herausforderungen der kommenden Monate. Für die Arbeit der Aufsichtsräte wird es mehr denn je darauf ankommen, die richtigen Akzente und Leitplanken für eine robuste Unternehmensstrategie zu setzen. Und ich wünsche ihnen, dass sie zusammen mit den Unternehmen bei Unvorhergesehenem schnell handlungsfähig sind. Mir selbst wünsche ich eine neue berufliche Aufgabe, bei der ich wie bisher auch Veränderungsprozesse gestalten kann.