„Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann ist ein Buch, das bei Christina Greschner gleich in mehreren Exemplaren im Bücherregal steht. Es ist auch ein naheliegendes Geschenk für eine diplomierte Ingenieurin für Kartographie und Geomatik. Dem Ingenieurstudium an der Fachhochschule Karlsruhe hat Greschner ein Masterstudium in „Family Entrepreneurship“ an der Zeppelin Universität Friedrichshafen folgen lassen.
Dass diese Spezialisierungen bestens zu dem Unternehmen passen, für das sie sich seitdem engagiert, ist kein Zufall. init innovation in traffic systems SE, kurz init SE, ist einer der weltweit führenden Anbieter von IT-Lösungen im öffentlichen Nahverkehr und von Greschners Vater, Dr. Gottfried Greschner, gegründet worden. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen weltweit und ist an der Börse notiert, mit der Familie nach wie vor als starkem Ankeraktionär. Seit 2019 ist Christina Greschner Mitglied des Aufsichtsrats und seit 2021 im Prüfungsausschuss von init SE. Auch für diese Aufgaben hat sich die zielorientierte Ingenieurin mit fundiertem Know-how ausgerüstet.
Was war ihr Antrieb, sich als qualifizierte Aufsichtsrätin und Fachaufsichtsrätin im Prüfungsausschuss zertifizieren zu lassen?
Ich bin nicht der Typ, der sich blind in neue Aufgaben stürzt. Durch die Zertifizierung zur qualifizierten Aufsichtsrätin habe ich die notwendige Sicherheit für meine neue verantwortungsvolle Aufgabe erhalten und einen Gesamtüberblick zu den aktuellen, für Aufsichtsräte relevanten Gesetzen und Richtlinien. Das Zertifikat hat zudem eine gute Außenwirkung, ist beispielsweise ein positives Signal und Qualitätssiegel gegenüber unseren Aktionär*innen. Gleiches trifft für mein zweites Zertifikat zu, den Fachaufsichtsrat im Prüfungsausschuss.
Von den zur Disposition stehenden Anbietern passte Management Alliance für mich am besten. Dass der Lehrgang in einem kleinen Kreis von insgesamt vier Teilnehmer*innen durchgeführt wurde, kam mir sehr entgegen. So konnten individuelle Problemstellungen behandelt werden, alles wirkte sehr persönlich und kompetent.
Ich kann nur jeder Aufsichtsrätin, jedem Aufsichtsrat eine solche Weiterbildung empfehlen – auch, weil die Anforderungen an die Aufsichtsratsarbeit immer komplexer werden.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Global gesehen macht die unwägbare Entwicklung der Weltwirtschaft eine Planbarkeit sehr schwer. Aufsichtsrät*innen müssen entsprechend immer wieder die Unternehmensstrategie auf deren Belastbarkeit „abklopfen“.
Als positive Herausforderung empfinde ich es, das Unternehmen bei der Umsetzung von Zukunftsthemen zu unterstützen. Dass es dafür auch staatliche Vorgaben gibt wie etwa für nachhaltiges Agieren, das finde ich gut und wichtig. Es hilft Unternehmen, sich zu disziplinieren. Speziell für das Zukunftsthema Nachhaltigkeit brauchen wir den Druck von außen jedoch nicht, weil es zu unserer DNA gehört. Schließlich ist es die Hauptaufgabe von init SE, die nachhaltige Mobilität zu unterstützen, den Verkehrsunternehmen dabei zu helfen, ihre tägliche Arbeit zu bewältigen, etwa auf Elektromobilität umzurüsten und Prozesse zu digitalisieren. Aber auch unser Aufsichtsrat muss, wenn es nötig ist, für den Vorstand unbequeme Themen triggern.
Ich persönlich finde die Komplexität der Regularien und Richtlinien, mit denen Aufsichtsrät*innen gerade von Unternehmen unserer Größe konfrontiert werden, manchmal schwierig. Wir müssen neben unserer Kontrollfunktion schließlich auch noch Sparringspartner und Impulsgeber für den Vorstand sein. Hier würde ich mir einfach etwas weniger Bürokratie zugunsten mehr Zeit für Diskussion wünschen.
Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Aufsichtsrats-Arbeit?
Wenn wir als Aufsichtsrat das Unternehmen unterstützen können, voranzukommen, dann sind wir erfolgreich. Ich finde es für mich sehr motivierend, wenn ich dafür die richtigen Impulse setzen kann. Schließlich soll ja ein Diskurs stattfinden. Für mich ist das noch einmal eine besondere Situation, da ich zwischen drei unterschiedlichen Rollen wechseln muss. Ich bin Tochter des Firmengründers, Gesellschafterin und Mitglied des Aufsichtsrates. Das funktioniert, wenn man die Situation für sich ganz klar reflektiert und analysiert. Und wenn mein Gegenüber mit den Rollen Probleme hat, kann es helfen zu sagen: Das meine ich jetzt nicht als Tochter so, sondern als Aufsichtsrätin.
Das Rezept unseres Aufsichtsrates ist für mich eine enge Zusammenarbeit, und dafür muss man sich gut organisieren und gut miteinander kommunizieren. Denn neben den regulären Treffen ist ein spontaner Austausch zu kurzfristig aufkommenden Themen essenziell.
Was empfehlen Sie anderen Aufsichtsrät*innen für deren Netzwerkarbeit?
Ich treffe die Menschen gern persönlich, gehe auf Veranstaltungen und nutze auch die Angebote von Management Alliance wie das Alumni-Netzwerk. Tagungen finde ich ideal, weil ich dort Wissen und zugleich neue Kontakte aufbauen kann. Erst dann kommt bei mir LinkedIn zum Einsatz – zum Vernetzen nach dem Kennenlernen.
Was wünschen Sie dem Aufsichtsratsjahr 2023?
Aufsichtsratsarbeit ist für mich eng mit Passion verbunden. In unserem Aufsichtsrat betreut jeder von uns Themen, für die er die fachliche Expertise mitbringt, aber auch solche, für die er persönlich „brennt“. Neben Nachhaltigkeit ist mir eine attraktive, moderne und persönliche Unternehmenskultur ein besonderes Anliegen sowie der Anspruch, die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit bestmöglich mitzugestalten. Aufgrund des Fachkräftemangels und unter Gesichtspunkten der Arbeitgeberattraktivität ist dies meiner Ansicht nach nicht nur ein „nice-to-have“.
Daher wünsche ich uns Aufsichtsrät*innen, dass uns auch im Jahr 2023 die globale Gesellschafts- und Wirtschaftssituation erlauben wird, unsere Herzensthemen voranzutreiben.